Hast du Lust auf einen Wochenendausflug, aber keine Idee, wohin die Reise gehen soll? Wie wäre es mit einem Ausflug in unser Nachbarland Polen, nach Breslau, in die Kulturhauptstadt Europas 2016?
Mit dem Kulturzug auf die Reise nach Breslau
Mit dem Kulturzug kommst du ohne umzusteigen in 4,5 Stunden entspannt nach Breslau.
Und wenn du magst, kannst du unterwegs das kulturelle Programm an Bord zum Zeitvertreib nutzen – bei unserer Fahrt war es unter anderem eine Schreibwerkstatt in Polnisch.
Seit 2016 verbindet der Kulturzug am Wochenende Berlin und die mit knapp 640.000 Einwohnern drittgrößte Stadt Polens. Bereits die Ankunft in Wroclaw ist beeindruckend, der Hauptbahnhof ein beeindruckendes architektonisches Bauwerk in Neogotik und Jugendstil.
Breslaus historische Altstadt
Die Geschichte Breslaus war sehr wechselhaft. Vom 13. bis 18. Jahrhundert war Wroclaw ein Teil von Böhmen und dem österreichischen Kaiserreich. 1741 wurde die Stadt von Friedrich dem Großen erobert und wurde zu einem der Zentren Preußens.
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde die mehrheitlich deutsche Bevölkerung vertrieben und an ihre Stelle zogen Polen, von denen viele aus dem heute ukrainischen Lwiw stammten, einem Gebiet, das an die damalige Sowjetunion abgetreten wurde, nach Breslau. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die zu 90 Prozent zerstörte Altstadt wieder aufgebaut.
Die bunt verzierten alten Häuser, Gebäude aus Gotik und Barock, der Marktplatz (Rynek) und der benachbarte Salzmarkt mit seinen vielen Blumenständen sind eine Augenweide.
Überraschenderweise finden sich hier weder die in anderen Innenstädten unvermeidlichen Einzelhandelsketten noch die in Touristenstädten unerlässlichen Souvenirläden. Geshoppt wird außerhalb, das Stadtzentrum ist eher auf Bummeln und Gastronomie ausgelegt.
Am Rande der Altstadt liegt das Hauptgebäude der Universität, eines der schönsten Barockgebäude in Polen. Die Eingangstür mit ihren blauen Verzierungen ist eines der beliebtesten Fotomotive der Stadt.
Hala Torgowa und Dominsel
Weiter zur Markthalle, der Hala Torgowa, einem neogotischen Gebäude aus dem Jahr 1908 am Rande der Altstadt. Hier haben wir uns erst einmal mit leckeren Pierogi und einem Kaffee im Café Torgowa gestärkt, versteckt gelegen zwischen Grabgestecken und Friedhofskränzen. Teeliebhaber hingegen kommen in der Herbaciarnia Targowa auf ihre Kosten. Die Markthalle ist Montag bis Samstag von 8 Uhr bis 18.30 Uhr geöffnet.
Danach geht es auf die Dominsel mit dem Dom von Breslau, der Kathedrale von Johannes dem Täufer mit ihren 98 Meter hohen Türmen. Hier kann man bei Sonnenuntergang auch den Laternenanzünder live und in Farbe erleben, der jeden Abend die 102 Gaslaternen auf der Dominseln per Hand anzündet.
800 Zwerge in Breslau, aber kein Schneewittchen
Über die ganze Innenstadt verteilt stolpert man über Statuen kleiner bronzefarbener Zwerge. Mittlerweile gibt es angeblich 800 Zwerge in Breslau, die alle einen eigenen Charakter, individuelle Kleidung und Beruf haben.
Die Geschichte der Zwerge reicht bis in die 1980er Jahre, als die damalige polnische antikommunistische Untergrundbewegung als Zeichen des Protests Graffiti mit kleinen Zwergen an die Stadtmauern sprühte.
Für eine Besichtigung mit kleinen Kindern empfiehlt sich eine „Zwergen-Rallye“, bei der Touristeninformation bekommt man einen entsprechenden Stadtplan.
Nachtleben im Vier Tempel-Viertel
Das Vier Tempel-Viertel am Rande der Altstadt ist insbesondere am Abend ein Muss, hier findet das Nachtleben statt. Nach der Sanierung sind in dieses Viertel, das über die höchste Dichte an Kirchen der Stadt verfügt, viele kleine Cafés, Restaurants, Bars und Boutiquen eingezogen – neben den immer noch vorhandenen Beerdigungsinstituten.
Im Ruska 46c lässt sich eine Sammlung alter Leuchtreklamen bestaunen, die Neon Side Gallery hat sich zu einem beliebten Motiv für Selfies und Instagram entwickelt. Hier findest Du auch das Piano Pocket Museum und das bei Cineasten sehr beliebte Kino Nowe Horyzonty.
Gründerzeit und Streetart in Nadodrze
Wem die Altstadt rund um den Marktplatz zu geleckt ist: Nördlich der Altstadt liegt das alternativere Stadtviertel Nadodrze, das mit seinen Gründerzeithäusern bereits Schauplatz von Hollywood-Produktionen wie Steven Spielbergs „Bridge of Spies“ war.
Noch verfügen die Straßen über einen morbiden Charme, aber die Gentrifizierung macht auch vor diesem Stadtteil nicht halt. Hier finden sich rund um die ul. Franklina Delano Roosvelta künstlerisch gestaltete Hinterhöfe, die einen Abstecher wert sind, ebenso die kleinen Galerien und Läden mit Vintage-Möbeln und Co.
Outdoorspaß, Seilbahn und Unesco-Weltkulturerbe
Ich war überrascht, von wie viel Wasser Breslau umgeben ist, nicht nur die Oder, sondern auch zahlreiche Nebenflüsse fließen durch und um die Stadt herum. Das Flussufer lädt im Sommer wunderbar zum Chillen an einer der zahlreichen Strandbars ein. Teilweise kann man sich dort auch Kajaks, kleine Boote oder SUP ausleihen, wie am Odra Centrum, einer Begegnungsstätte samt Café auf einer Art stahlgewordenem Hausboot.
Wir haben am Wochenende Teile der doch sehr weitläufigen Stadt mit dem Fahrrad erkundet und sind hinausgeradelt zum Universitätsviertel – in Breslau gibt es 100.000 Studierende. Dort kann man die Oder auch mit der Polinka-Seilbahn überqueren. Die Seilbahn verbindet – in der Stadt der mehr als hundert Brücken ein Kuriosum – zwei Fakultäten der Breslauer Universität für Wissenschaft und Technik miteinander.
Weiter hinaus mit dem Fahrrad zum Szczytnicki-Park und zum Unesco-Weltkulturerbe Jahrhunderthalle samt Vier-Kuppel-Halle, der Wiege der Moderne in Breslau. Die beiden imposanten Gebäude entstanden Anfang des 20. Jahrhunderts für eine Ausstellung. Die Jahrhunderthalle hat eine Spannweite von 65 Metern, fasst mehr als 20.000 Besucher und war damit die größte Halle im damaligen Deutschland.
Ebenso sehenswert direkt daneben die Werkbundsiedlung, die 1929 errichtet wurde. Berliner erkennen hier das ein oder andere wieder, hat doch zum Beispiel der Architekt Hans Scharoun, der die Philharmonie erbaut hat, das Prachtstück der Siedlung, das Ledigenheim, errichtet.
Wir kommen sicher wieder, spätestens zum Weihnachtsmarkt in Breslau, der als einer der schönsten Weihnachtsmärkte in Europa gilt.
Nähere Informationen zum Kulturzug findet ihr unter vbb.de/vbb-services/freizeitangebote/polen